Hi zusmmen,
zuerst einmal Entschuldigung, dass ich so lange nichts habe von mir hören lassen. Aber es ist einiges passiert. Ich hab beschlossen, 3 Blog-Einträge draus zu basteln.
Heute fange ich mit einem ernsten Thema an. Ich habe ja schon mal erwähnt, dass wir hier im Faraja Center versuchen, einzelne Fälle der Mädchen vor Gericht zu bringen. Einer dieser Fälle spitzt sich gerade zu, daher möchte ich diese Geschichte mit Euch teilen. Im Blog nenne ich das Mädchen Mary.
Mary ist Maasai, als ihre Mutter geheiratet hat und die zweite Frau eines Maasai wurde, war sie bereits schwanger mit Mary. Später sollte Mary aus der Ehe noch 5 Halbgeschwister bekommen. Eines Tages wurde die Mutter von Mary von ihrem Mann und dessen anderen Frauen vertrieben.
Die Kinder blieben zurück und sind dann zur dritten Frau des Vaters gezogen. Dort wurden sie allerdings geschlagen und schlecht behandelt. Was dazu geführt hat, dass sie zur ersten Frau des Vaters gegangen sind. Dort ging es ihren Geschwistern gut, Mary jedoch wurde weiterhin schlecht behandelt, weil sie ja kein leibliches Kind des Vaters war. Der Vater hat sogar die anderen Kinder des Dorfes gerufen und gesagt, sie sollen Mary mit Stöcken verprügeln.
Während all dieser Zeit hat der Vater bereits angefangen, einen Ehemann für Mary zu suchen und schließlich fand er auch einen. Da Mary zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschnitten war, konnte sie noch nicht unmittelbar heiraten. Also wurde sie beschnitten. Dies ist in Tansania übrigens gesetzlich verboten, wird aber von einigen Stämmen nach wie vor praktiziert, allen voran von den Maasai.
Nach der Beschneidung und der Bezahlung des Brautpreises durch den Ehemann wurde die Ehe vollzogen und Mary musste alleine mit dem Mann in die Stadt ziehen. Zu diesem Zeitpunkt war sie 12 Jahre alt. Kinderheirat ist in Tansania ebenfalls verboten wird aber genauso wie Beschneidung nach wie vor mehr oder weniger heimlich praktiziert.
Der Mann hat seinem kompletten Umfeld erzählt, Mary sei seine Cousine, sodass niemand interveniert. Mary wurde zu Sex gezwungen und wurde schließlich auch schwanger. Eines Tages wurden die Nachbarn darauf aufmerksam und informierten die Polizei. Diese hat sofort eingegriffen, hat sie schließlich befreit und zu uns ins Center gebracht.
Bei uns angekommen hat sie gesagt, sie will nie wieder zurück. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie weder Suaheli sprechen noch lesen oder schreiben. Sie sprach nur die Maasai-Sprache. Im Center hat sie zunächst mit anderen Maasai-Mädchen zusammen in einem Zimmer gewohnt, die ihr geholfen haben, Suaheli zu lernen und in unserer Vorschule hat sie schreiben, lesen und rechnen gelernt. Zu Beginn wusste sie nicht mal, wie man einen Stift hält…
Neben dem Unterricht hat sie viele Beratungsstunden mit der Sozialarbeiterin verbracht, um ihr Trauma zu überwinden. Und wir dürfen nicht vergessen, dass sie zu dem Zeitpunkt schwanger war. Mit 13 hat sie schließlich per Kaiserschnitt ihr Baby zur Welt gebracht. Das Baby ist leider 6 Monate später an plötzlichem Kindstod gestorben.
Erschwerend kommt hinzu dass Mary’s „Ehemann“ nicht akzeptiert, dass sie ihr weggenommen wurde und darauf beharrt, dass sie seine legitime Ehefrau sei. Er ist nachts ins Center geschlichen und hat herumgeschrien und gedroht. Er ist auch der Grund dafür, dass wir seit einiger Zeit im Center 24/7 Sicherheitspersonal haben. Auch in der Stadt hat er sie verfolgt und ihr gedroht. Seither geht sie nicht mehr in die Stadt.
Nach alldem ist es für mich umso bemerkenswerter, dass sie so ein fröhliches Mädchen ist und immer ein Strahlen im Gesicht hat.
Mama Siara hat den Fall vor Gericht gebracht. Nun kommt die Korruption in Tansania ins Spiel. Der „Ehemann“ hat viel Geld springen lassen und den Gerichtsprozess in erster Instanz gewonnen. Daraufhin hat Mama Siara Berufung eingelegt und der Fall ging an das High Court. Das Verfahren läuft nun bereits seit 2 Jahren.
Aktuell geht es in die heiße Phase. Der Ehemann behauptet, dass Mary zum Zeitpunkt der Eheschließung 16 Jahre alt gewesen sei und nun folglich 18 Jahre alt sei. Ihr habt sie nicht gesehen und könnt daher nicht nachvollziehen, wie absurd diese Behauptung ist. Das Mädchen sieht jetzt mit 14 Jahren aus, als sei sie 11 und als ich erfahren hab, dass sie schon ein Kind zur Welt gebracht haben soll, hab ich es schlichtweg für einen schlechten Scherz gehalten.So unvorstellbar ist es. Das Problem ist, dass Maasai keine Geburtsurkunden oder Ähnliches haben. Und Marys Vater hat ausgesagt, sie sei schon 16 gewesen, als er sie verheiratet (also verkauft) hat.
Die Lage spitzt sich hier aber langsam zu und die Polizei hat uns gewarnt, dass sie um Marys Sicherheit besorgt seien, da mehrere Zeichen darauf hingedeutet haben, dass sie in großer Gefahr sei, wie z.B. herumlungernde Maasai Männer vor der Schule und zuletzt die Morddrohung seitens des „Ehemannes“, mit der Aussage, dass er sie erschießen würde.
Diese Warnung haben wir uns nicht zweimal sagen lassen und Mary in einer Nacht und Nebelaktion in ein Internat 3 Stunden außerhalb von Arusha gebracht. Dies war möglich, weil eine Amerikanerin ein Sponsorship für ihren Internatsplatz übernommen hat. Der Abschied ist uns allen sehr schwer gefallen und viele viele Tränen sind geflossen. Wieder einmal ist es ein Neuanfang für sie. Aber ich bin mir sicher, sie wird schnell Freunde finden und es wird ihr gut gehen. Im ganzen Center wissen 4 Leute wo Mary hingebracht wurde, weil wir um jeden Preis vermeiden wollen, dass eine Information über ihren Aufenthaltsort durchdringen könnte.
Am 20.8. ist der nächste Gerichtstermin und Mary wird erstmalig aussagen. Mama Siara und ich haben beschlossen, dass ich morgens mit ins Internat fahre, um sie abzuholen und auch beim Gerichtsprozess anwesend sein werde. Einerseits um ihr Mut für ihre Aussage zu geben, damit sie weiß, dass sie von ihren Freunden unterstütz wird und andererseits ist es vielleicht auch im Hinblick auf Korruption nicht verkehrt und die Richter haben vielleicht mehr Skrupel, wenn sie merken, dass dem Fall größere Aufmerksamkeit geschenkt wird und auch Wazungu (also Weiße) anwesend sind.Nach dem Prozess werden wir sie sofort ins Auto packen und sie sofort zurück ins Internat bringen. Das wird für die nächte Zeit dann wohl auch das letzte Mal sein, dass ich sie sehe.
Dieser Fall ist hier leider nur einer von vielen Fällen … Aber man lernt damit umzugehen.
So, das war’s von Eintrag Nummer 1. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten, wie’s weitergeht.
Die nächsten Einträge werden dann von leichteren Themen handeln wie unser Sansibar Urlaub mit den Mädels und Andy, meiner aktuellen Arbeit im Center und dem Event über traditionelles tansanisches Essen, bei dem wir teilgenommen haben.
LG Steffi