Feria de las Flores

Zunächst muss ich erklären, dass ich während der Kolumbienreise dreimal in Medellín war. Das macht natürlich nicht so richtig Sinn, aber wenn man vorher nicht genau weiß, wo man alles hinreisen will, dann kann das schon mal passieren. In diesem Blogbeitrag sammle ich also sämtliche Erlebnisse meiner drei Medellín Aufenthalte :).

Beim ersten Besuch Medellíns war gerade eins der jährlichen Highlights in der Stadt, die Feria de las Flores. Die Gegend um Medellín ist bekannt für seine Blumenproduktion und die Blumenbauern und ihre Familien tragen bei dem Umzug aufwendig gestaltete Blumengestecke auf Holzgestellen auf ihrem Rücken durch die Stadt. Die größten Gestecke wiegen bis zu 80kg! Es kommen Massen an Zuschauern, um die sog. Silleteros beim Blumenumzug zu sehen und die ganze Stadt ist im Partymodus. Die findigen Medelliner Geschäftsleute haben neben Essen, Trinken und Snacks vor allem kleine Hocker verkauft, damit man auch in der zweiten oder dritten Reihe noch was vom Umzug sehen kann. Markus und ich haben drauf verzichtet, schließlich haben wir gegenüber den Kolumbianern schon einen natürlichen Größenvorteil und da fanden wir es unfair, uns noch dazu auf einen Hocker zu stellen 😉

Entlang der Strecke standen im Abstand von ca. 100 Metern jeweils LKWs mit DJ Bühnen oder Bands und sorgten für ordentlich Stimmung. Markus wählte uns einen Platz aus, der genau gegenüber einer Militärbühne war, dort war dann auch die „Miss Feria de las Flores“ und die Leute standen Schlange, um mit ihr ein Foto zu bekommen. Beim Umzug liefen dann nicht nur die Silleteros mit ihren Blumen vorbei, sondern auch sämtliche Militär- und Polizeieinheiten. So z.B. die Hundestaffel inkl. Babyhunde, die gerade ihr Training begonnen und eine seltsam getarnte Militäreinheit, das könnt Ihr auf den Fotos besser erkennen. Hier ein paar Eindrücke vom Umzug inklusive einer Zuschauerin, die den derzeitigen (zumindest kolumbianischen) Schönheitstrend der Poimplantate etwas arg übertrieben hat:

Nach dem Umzug wurden die Blumenarrangements, am lokalen Flughafen am Plaza Gardel ausgestellt. Hier ein paar Eindrücke der regelrechten Kunstwerke:

Ich hatte das Glück in Medellín einen alten Freund, Esteban, den ich vor vielen Jahren in Argentinien kennenlernte, zu besuchen. Somit konnte ich nochmal ganz andere Einblicke in die Stadt gewinnen. An einem Sonntag war ich zu seinem Familienessen mit all seinen Geschwistern und deren Kindern eingeladen. Es war zwar nicht meine eigene Familie aber trotzdem war es sooo schön, wieder einmal ein Familienessen zu haben.

Medellín ist eine super interessante Stadt und man kann den gerade stattfindenden Wandel regelrecht spüren. Die Stadt hat ein großes Spannungsfeld zwischen Arm und super Reich. Das Viertel in dem die meisten Hostels angesiedelt sind, heißt Poblado und ist das wohl reichste Viertel der Stadt mit Food Courts, Hipsterbars, Shopping Malls und einem hammermäßigen Nachtleben. Das wohl mit Beeindruckendste an Medellín sind die öffentlichen Verkehrsmittel und die Liebe und den Stolz, den die Bewohner dafür hegen. Während auf der Straße der Müll einfach fallengelassen wird, ist die Metro blitzblank sauber. Die Fenster sind nicht zerkratzt oder verschmiert, die Metro ist klinisch rein. Im Zuge der Feria de las Flores hat die Metro ein großes Blumenbild mit „30 Jahren Metro“ aufgestellt und die Leute haben sich stolz davor fotografieren lassen. Während für uns öffentliche Verkehrsmittel ganz selbstverständlich sind, weil sie schon immer da waren, wurde die Metro in Medellín erst ab 1995 gebaut und 2004 wurde die erste und 2009 die letzte Seilbahn-Linie eingeweiht, mit der man sogar in ein Naherholungsgebiet, den Parque Arví kommt. Die Seilbahnen verbinden die ärmeren Viertel auf dem Berg mit dem Rest der Stadt und haben eine immense Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung gebracht. Denn die Hütten / Häuser auf den Bergen sind teilweise so eng gebaut, dass keine Straße dazwischen passt. Es war also sehr beschwerlich für die Leute, in die Stadt zu kommen.

Um das Metro-Feeling noch etwas besser zu beschreiben hab ich hier eine ganz nette Situation für Euch: Da war ein Typ – vielleicht so knapp 20 – Typ Gangster, dem man im Dunkeln nicht begegnen will, in der Metro gestanden und eine schwangere Frau kam rein. Dann ist er zu einem Jugendlichen hin, der saß und hat ihn höflich gebeten aufzustehen, damit sich die schwangere Frau hinsetzen kann. Wunderbar.

Neben des öffentlichen Verkehrsnetz hat die Regierung auch super viele weitere Infrastruktur-Investitionen durchgeführt und viele kostenfreie Bibliotheken eröffnet, vor allem in den ärmeren Vierteln.

Im Zentrum gab es einen Platz, der das Epizentrum der Kriminalität war, er war voll mit Obdachlosen, Drogenhändlern und jeder Sorte Krimineller. Ein Platz an den keiner freiwillig gehen wollte. Die Regierung stellte Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung und baute das heruntergekommene, verlassene Gebäude zu einer großen Bibliothek um. Es wäre ein Leichtes gewesen, das Gebäude abzureißen, aber aufgrund der Symbolwirkung wurde es renoviert und vom Zentrum der Kriminalität zum Zentrum der Bildung transformiert. Außerdem wurde der Platz mit LED Lichtersäulen ausgestattet, ein Kunstprojekt, das mit dem Licht Hoffnung symbolisieren soll. Somit erleuchten nun hunderte von Lichtersäulen den Platz.  Damit ist der Platz wie verwandelt und wird von der Bevölkerung total gut angenommen, um sich einfach mit seinen Freunden zu treffen etc.  (Auch die Bilder des Platzes sind leider mit meiner verlorenen SD Karte hops gegangen). Und so wurden viele Orte in der Stadt transformiert und die Lebensqualität und Sicherheit stieg immens. Der botanische Garten z. B. ist wunderschön und ein tolles kostenloses Ausflugsziel für junge Familien für ein Picknick.

 

Mein persönliches Highlight in Medellín: Museo Casa de la Memoria

Seit der Netflix Serie Narcos gibt es natürlich super viele Touristen, die auf den Spuren Pablo Escobars wandeln wollen. Daher gibt es auch Pablo Escobar Touren (die übrigens das 6-fache einer normalen City Tour kosten) und eine wird sogar von einem von Pablo Escobars top Killern geführt. Zunächst dachte ich mir, das wäre schon cool, als ich mich dann aber ein bisschen länger damit auseinandergesetzt hab, hab ich für mich beschlossen, dass es ziemlich bescheuert wäre, eine Tour zu machen, die jemanden glorifiziert, der so viel Schlechtes getan hat. In diesem Zuge hab ich vom Casa de la Memoria erfahren. Der Medelliner Bürgermeister hat einige Projekte gestartet, um die Geschichte aufzuarbeiten und zwar mit dem Fokus auf den Opfern. Das Casa de la Memoria ist ein multimediales Dokumentationszentrum, das nicht mal Eintritt kostet.

Der Besuch dort war eines meiner absoluten Highlights, wenn auch traurig und schwer zu verdauen. Es gibt dort einen abgedunkelten Raum, in dem auf allen Seiten farbige Fotografien von Familien oder Freunden eingeblendet werden, dann verändert sich das Bild und wird schwarzweiß. Nur eine Person bleibt bunt. Im Anschluss wird der Name der Person eingeblendet und erklärt, ob sie oder er verschwunden ist oder umgebracht wurde. Somit bekommen anonyme Zahlen auf einmal einen Namen und ein Gesicht.

Im nächsten Raum standen mehrere Mannsgroße Bildschirme, auf denen man aus einer Vielzahl von Interviewpartnern auswählen konnte. Die ausgewählte Person (z.B. die Witwe eines im Auftrag von Pablo Escobar ermordeten Zeitungsdirektors) steht dann in Lebensgröße vor einem und erzählt einem ihre Geschichte. Die nächste Installation war ein riesiger Touch-Screen, bei dem man durch die Jahre scrollen konnte und einzelne Themen auswählen konnte und dann Videos, Fotos und Zeitungsartikel angezeigt bekam. – Unglaublich interessant, weil es einem einen kleinen Einblick über die bewegte Geschichte des Landes gibt.

An einer weiteren Wand waren Fotos ausgestellt und die Fotografen erzählten einem in einem Video die Situationen, die hinter den einzelnen Fotos steckte.

Und dann hat sich etwas Unglaubliches zugetragen: Ich hab ein Foto von einem der Fotos gemacht. Es zeigte eine Farm, bei der der komplette Eingang in Blut getränkt war. An dem Abend bin ich von meinem Hostel in die Wohnung von meinem alten Bekannten, Esteban (wir kennen uns aus Argentinien), gezogen. Wir saßen also am Abend zusammen und ich erzählte ihnen vom Casa de la Memoria und zeigte ihnen als Beispiel das Foto von der Farm.

Dann sagte Juliana, die Frau von Esteban: „Oh Gott, das war doch, als wir in China waren.“  Und berichtete, dass sie eine Exkursion für kolumbianische Großbauern nach China organisiert hat. Dort besuchten sie mehrere Großbauern und erfuhren, wie sie dort arbeiten. Eines Morgens hatte Esteban in den Nachrichten etwas von einem Gemetzel auf einer Farm in Kolumbien gelesen und dann stiegen sie in den Bus. In dem Moment bekommt einer der Bauern einen Anruf und erfuhr, dass es sich um seine Farm handelte und ALLE seine Mitarbeiter getötet wurden, bis auf eine Frau, die gerade zum Einkaufen gefahren war. Die Guerillas kamen und wollten Schutzgeld haben und der Verwalter weigerte sich wohl, dieses zu zahlen. Das war dann nochmal eine ganz andere Dimension, weil plötzlich die ganzen Geschichten, die ich in den geführten Touren hörte, einen persönlichen Bezug bekamen. Esteban und Juliana erzählten mir dann noch von weiteren Situationen, wie während ihrer Kindheit Bombenanschläge und Schießereien einfach zum Alltag gehörten. Wenn man all diese Geschichten hört und sieht, wie glücklich die Leute heute in der Stadt leben, wird einem erst richtig bewusst, wie viel sich in diesem Land geändert hat.

Für mich ist Medellín die interessanteste Stadt, die ich während meiner Reise besucht habe und ich kann nur jeden ermutigen, nach Kolumbien zu reisen, sich sein eigenes Bild zu machen und sich nicht von den Geschichten, die so viele Jahre zurückliegen abschrecken zu lassen.

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