Vom ersten Tag in Guatemala an hatte mir jeder von Semuc Champey berichtet. Ich brauchte erstmal vier Tage, bis ich den Namen überhaupt aussprechen und mir merken konnte. Aber klar war: da muss ich hin. Und so planten Chris und ich die Weiterreise von Rio Dulce nach Semuc. Garry organisierte uns einen Platz im Shuttlebus und wir brachen mittags in Rio Dulce auf. Die Fahrt führte uns durch wunderschöne Landschaften und kleine Dörfer bis sich die Straßen in schlaglochüberzogene Holperpisten verwandelten. Auch wenn wir mehr hüpften als im Shuttle zu sitzen, war die Fahrt noch immer toll: Wir fuhren quer durch die Berge dem Sonnenuntergang entgegen. 🙂

Im Dorf Lanquín angekommen, liefen wir mit Sack und Pack im Dunkeln ans Ortsende zu unserer Unterkunft, der Retiro Lodge. Dort wurden wir gefragt, ob wir am nächsten Tag ab 9 Uhr bei der Semuc Tour mitmachen würden. Da mir im Vorfeld empfohlen wurde, früh da zu sein, bevor der Ansturm kommt, sagten wir die Tour ab und beschlossen, den Fluss auf eigene Faust zu erkunden. Im Internet konnten wir nicht allzu viele Erfahrungsberichte dazu finden, also waren wir uns nicht ganz sicher, ob es klappen würde. Vor allem, weil wir die Höhle besuchen wollten und man uns sagte, dass man dort ohne Guide nicht reinkommt. Dennoch zogen wir den Plan durch.

Am nächsten Morgen gingen wir also los und marschierten Richtung Ortsmitte. Dort standen auch schon ein paar Viehwagen bereit. Davon hatte ich auch schon gehört, dass man auf der Ladefläche von Viehwagen zum Fluss gebracht wird. Kein Problem für mich – ich liebe es auf Pick-up Ladeflächen zu fahren und da ist ein Viehwagen auch nicht viel anders. Wir sprachen also mit ein paar Fahrern und alle wollten entweder super viel Geld oder sagten, wir sollen bis 9 Uhr warten, bis die regulären Touren gehen. Nach sichtlichem Desinteresse zeigen und weiterlaufen, folgte uns dann ein Wagen und nahm uns für 80 Quetzales als Privattour statt der 50 Quetzales, die wir im Sammelwagen hätten zahlen müssen mit. So schaukelten wir also 45 Minuten lang ins Tal und kamen am Eingang zum Naturschutzgebiet Semuc Champey an.

Wir beschlossen zunächst die Schlucht hoch zum Aussichtspunkt zu wandern, um die Becken von oben zu sehen. Wir kamen an ein paar Bauarbeitern vorbei, die gerade den Pfad reparierten, nach einem kurzen Small Talk Gespräch zogen sie einen langen Holzstab vor und gaben ihn mir als Wanderstock zum Hochlaufen – total lieb. Wir liefen total schnell hoch, weil wir befürchteten, dass bald die Massen in den Park strömen würden – doch noch begegneten wir niemanden. Oben angekommen trauten wir unseren Augen kaum. Die Sonne strahlte ins Tal und vor uns lagen menschenleer die Terrassen von Semuc Champey. Ich unterhielt mich mit den Park-Rangern, die mir erzählten, dass in der Hochsaison ab ca. 11 Uhr so ein Andrang auf der Terrasse sei, dass jeder nach einer Minute weitergehen muss, damit die anderen in der Schlange auch die Aussicht genießen und ihre Fotos machen können. Umso glücklicher war ich mit unserer Entscheidung, früh loszugehen und diesen wundervollen Ort ganz für uns zu haben.

Wir liefen wieder hinunter in die Schlucht und sahen den Punkt, der dem Ort überhaupt seinen Namen gibt: Semuc Champey bedeutet „dort wo das Wasser verschwindet“. Der Fluss Cahabón verschwindet unter der Erde und fließt unter den türkisfarbenen Wasserbecken hindurch. Auf der anderen Seite taucht er dann wieder auf.

Noch immer war keiner in den Becken und wir hatten die ganze Schlucht für uns. Wir gingen also erstmal auf Fototour, verstauten dann sicher unsere Kameras in bereitgestellten Holzlockern und sprangen in die Wasserbecken. Das Wasser war wunderbar: herrlich Türkis, gar nicht kalt und wahnsinnig klar. Wir sprangen von den Rändern, schwammen, relaxten am Beckenrand in der Sonne, bewunderten den Ausblick und konnten irgendwie gar nicht glauben, an einem so schönen Ort zu sein:

Nach zwei Stunden beschlossen wir weiterzugehen. Nun kamen auch langsam mehr Leute und Wolken fingen an aufzuziehen. Beim Verlassen des Parks kamen uns Besuchergruppen entgegen und wir wussten, dass wir mit unserem antizyklischen Vorgehen genau die richtige Entscheidung getroffen hatten.

Wir liefen weiter über eine Brücke, aßen schnell zu Mittag und liefen in Richtung der Höhle. Zu unserer Erleichterung mussten wir hier nicht mit einem Tourguide kommen, sondern konnten die Höhle mit der nächsten stündlichen Tour besuchen. Wir erkundeten noch den nahegelegenen Wasserfall und schon ging die Tour los.

Bereits der Höhleneingang war schon unter Wasser, wir zündeten am Eingang die Kerzen, die jeder bekommen hatte, an und stiegen ins kühle (und mit kühl meine ich ins richtig kühle) Nass. Mit jedem Schritt wurde es dunkler, bis wir schließlich in vollkommener Finsternis durchs Wasser wateten, die Höhle nur durch unsere kleinen Kerzenflammen etwas ausgeleuchtet. Das Wasser wurde immer tiefer, bis wir schließlich nicht mehr stehen konnten und durch das Wasser schwimmen mussten, die Kerze immer schön hochhaltend, damit sie ja nicht ausgeht und wir komplett im Dunklen bleiben würden. Noch nie hab ich mich so sehr wie in einem Indiana Jones Film gefühlt wie in dieser Höhle. Wir bekamen eine Kriegsbemalung, kletterten Felsen hoch, krabbelten durch Gänge und mussten durch ein 50cm „breites“ Felsloch nach unten ins Dunkel springen: Zwei Meter Fall, untertauchen im Wasser, wiederauftauchen, schnell die Kerze vom Guide greifen und weiterschwimmen. So verbrachten wir dann ca. 1 Stunde durch die Höhle kletternd und schwimmend, bevor wir langsam wieder Licht sahen. Zitternd und mit blauen Lippen kam ich aus der Höhle, was meiner ohnehin schon zwei Wochen andauernden Erkältung natürlich nicht zuträglich war. Aber das war es absolut wert!

Neben meiner Kerze habe ich auch noch die GoPro balanciert, um das Ganze per Video und Foto festzuhalten. Das Rauschen im Video ist der Wasserfall, der in der Höhle nach unten schießt und an dem entlang wir auch hochgeklettert sind.

Mit dem Eintrittspreis der Höhle konnte man auch noch mit einer riesigen Schaukel in den Fluss springen. Zwar hatte ich ziemlichen Respekt davor, wollte es aber trotzdem machen. Nass war ich ja schließlich ohnehin schon. Scheinbar war es zu viel Respekt: Ich schwang also auf der Schaukel und wartete für meinen Absprung auf den höchsten Punkt. Ich dachte ich hätte ihn erwischt, doch wie ich so durch die Luft flog war klar, das wird nix. Anstatt sanft ins Wasser zu gleiten wurde es eine Gesichtslandung, die sich gewaschen hatte. Unter Wasser taten mein Gesicht und meine Augen so weh, dass ich noch unter Wasser erstmal mit den Fingern ertasten musste, ob meine Augen noch da waren. Eigentlich war die Anweisung, nach dem Auftauchen sofort an Land zu schwimmen, weil einen der Fluss sonst wegtreibt. Vor lauter Gesichtsschmerz hatte ich das kurzzeitig vergessen und als ich schließlich auftauchte und wider Erwarten noch sehen konnte, musste ich beim Schwimmen einen Zahn zulegen, um noch an Land zu kommen, bevor die Böschung zu steil würde. Nachdem ich aber in den letzten Monaten so viel geschwommen bin, war ich gut im Training und erreichte sicher das Ufer. 🙂

 

Unser Tagessoll war danach absolut erfüllt und wir hielten den nächsten Viehwagen an, der uns zurück nach Lanquín bringen sollte. Die Rückfahrt glich mit ca. 20 Leuten auf der Ladefläche auch mehr einem Viehtransport als unsere private Tour am Morgen. Die Unterhaltung mit den anderen Leuten im Viehwagen bestätigte uns nochmals in unserer Entscheidung, die Tour ohne Gruppe und Guide zu machen, denn die anderen waren wie alle anderen Gruppen vormittags in der Höhle, wo sich dann ca. 40 Leute gleichzeitig tummelten und danach beim Fluss, der dann ebenfalls ziemlich gut besucht war und das Wetter zu wünschen übrigließ. Fix und fertig aber glücklich kamen wir im Dorf an.

Der Rest des Abends wurde nur noch gechillt. Ein rundum gelungener Tag und damit auch schon unser Kurzaufenthalt in Lanquín und Semuc Champey ging zu Ende.

Würde ich nochmals hinreisen, würde ich mir einen Tag mehr Zeit nehmen, um noch eine Wandertour durch die Berge dranzuhängen. Das kann ich jedem empfehlen, der überlegt, einmal diese Gegend zu bereisen.

Am nächsten Morgen fuhren wir dann mit einem vollgepackten Shuttlebus für ca. 10 Stunden zurück nach Antigua, denn für den Folgetag stand nun wirklich die Vulkanbesteigung an…

Davon mehr im nächsten Artikel.

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