Vor der Acatenango Vulkanbesteigung hatte ich einen wahnsinnigen Respekt; meine Erkältung war noch immer im Gange und viele Leute hatten mir schon prophezeit, dass es das Anstrengendste war, das sie jemals in ihrem Leben gemacht hatten und es die kälteste Nacht in ihrem Leben in einem Zelt war. Soweit also top Voraussetzungen.

Ich packte alles an Klamotten ein, was ich wärmendes dabeihatte und los ging’s. Im Minibus, mit dem wir abgeholt wurden, lernten wir gleich unsere Mitstreiter kennen. Eine bunte Mischung aus Neuseeländern, Österreichern, Amerikanern, Belgiern und einer Italienerin. Wir hatten direkt viel Spaß im Bus und es war klar, dass die Gruppe gut passt. Zunächst hielten wir im Büro des Tourguides an und durften uns warme Winterjacken aussuchen. Außerdem konnte man sich Mützen, Wanderstöcke, Handschuhe und Schals mieten. – Ich hab beim kompletten Sortiment „Hier!“ gerufen :).

Unserer Vulkanbesteigung stand also nichts mehr im Weg. Nach einer „The sky is the limit“- und „die Grenzen sind nur in Eurem Kopf“-Ansprache brachen wir in bestem Sonnenschein auf.

 

Der Aufstieg

Am Anfang war mein Rucksack super schwer, weil er vollgepackt mit sämtlichen warmen Klamotten war, die ich erst 1000 Höhenmeter später anziehen würde. Der Aufstieg ging auch schon recht steil los. Uns kamen ein paar Rückkehrer entgegen, die uns versicherten, dass es weiter oben nicht mehr so steil sei und dass sich die Strapazen lohnen, weil es einfach atemberaubend sein würde. Wir waren also motiviert, etwas beruhigt und gespannt.

Relativ schnell merkte ich jedoch, dass mir meine Erkältung das Leben schwermachte. Ich war einfach total kurzatmig, was bei einem Aufstieg auf über 4000 Meter halt nicht so geil ist. Aber da musste ich durch. Ein paar Jungs in unserer Truppe waren die absoluten Bergsteigerkönige und gaben sich mit einem der Guides ein Rennen, während ich mit dem Mädchen aus Belgien die Nachhut übernahm. – Muss ja schließlich auch jemand machen. 😉 Die Guides planten aber immer Stopps für uns zum Verschnaufen und Stärken ein, so dass der Aufstieg schon irgendwie machbar war.

Je weiter hoch wir kamen, desto kälter und nebliger wurde es und desto mehr Klamottenschichten zogen wir an. Ich wusste nicht, wie lange ein Aufstieg normalerweise dauert, so dass ich auch keinen Anhaltspunkt hatte, wann wir denn das Lager erreichen würden. Aber irgendwann nach einem übelst steilen Stück liefen wir aus der Nebelschicht heraus und sahen auf eine Wolkendecke und geradeaus standen auf einmal Zelte. Ich konnte es gar nicht fassen, dass wir „schon“ das Nachtlager erreicht hatten.

Es war mitten am Nachmittag und der gegenüberliegende Vulkan „Fuego“ lag noch in den Wolken. Wir machten es uns in der Sonne vor unseren Zelten gemütlich und beobachteten den Vulkan. Auf einmal hörten wir einen lauten Donnerschlag, der aber halt nicht von einem Gewitter sondern vom Vulkan Fuego herüberkam und über den Wolken sahen wir eine graue Rußwolke aufsteigen. Ich habe noch nie zuvor einen Vulkan ausbrechen hören. Der Wahnsinn!

Dann meinte es das Wetter gut mit uns und der Wind wehte die Wolken beiseite, so dass wir Fuego in seiner vollen Pracht sehen konnten und beobachteten, wie die Rauchwolke nach einem lauten Grollen direkt aus dem Krater emporstieg. Wir saßen einfach nur da, starrten auf den Vulkan und sagten immer und immer wieder, dass wir es gar nicht fassen können. In der folgenden Timelapse bekommt Ihr einen kleinen Eindruck, auch wenn die großen Eruptionen leider nicht drauf sind.

Langsam ging die Sonne unter und der Ausblick wurde von Mal zu Mal spektakulärer…

Doch Mutter Natur hatte noch mehr auf Lager für uns. Als es dämmerte zog ein Gewitter auf über Fuego und so sahen wir den Vulkan im blauen Blitzlicht aufleuchten, während der Blitz in einem grellen Zickzack an den Himmel gezeichnet wurde. Wir standen dabei im Trockenen, weil das Gewitter vor uns aber nicht über uns war.

Als die Nacht hereinbrach warteten die nächsten zwei Schauspiele auf uns, zum einen sahen wir über einem weiteren Vulkan östlich von uns den Vollmond leuchten, zum anderen spuckte Fuego jetzt rote Lava. Diese sprühte aus dem Vulkankrater heraus und rollte seitlich den Berg hinunter. Noch nie zuvor hatte ich rote Lava in Natura und nicht im Fernsehen gesehen. Ein bisschen erinnerte uns Fuego an Mordor aus Herr der Ringe … Es war zwar bitterkalt, aber immer wieder stand ich vom Lagerfeuer auf und stellte mich an die Bergkante des Acatenango, um das Schauspiel zu beobachten.

 

Der große Vulkanausbruch im Juni 2018

Nach einem leckeren Abendessen, das auf offenem Feuer gekocht wurde, unterhielten wir uns mit den Guides und ich übersetzte für die Gruppe seine Geschichte zum großen Vulkanausbruch im Juni. Er erzählte uns, dass auch an jenem Tag Gruppen auf den Berg aufstiegen, als Fuego plötzlich anfing richtig auszubrechen. Sie kehrten um und brachen den Aufstieg ab. Das Lager jedoch wurde zerstört, Fuego spuckte Lavagestein bis auf das Nachtlager auf dem Acatenango. Die heißen Lavasteine brannten Löcher in die Zelte und verbrannten die Schlafsäcke. An dem Tag nieselte es und die ausgespuckte Lava vermischte sich mit Schlamm und rannte den Vulkan entlang nach unten ins Dorf, etliche Menschen wurden verschüttet und verbrannt. Die Zahlen schwanken zwischen hunderten und tausenden, je nachdem, welche Quelle man befragt.

Im Anschluss wurde von Seiten der Regierung für zwei Monate untersagt, die Vulkane Fuego oder Acatenango zu besteigen. Zum Zeitpunkt unseres Aufstieges war es gerade wieder einen Monat erlaubt.

 

Die Besteigung des Gipfels

Die Nacht sollte eine kurze werden, denn wir würden nur bis 3 Uhr morgens in den Zelten schlafen, bevor der Gipfelaufstieg anstand. Die Schlafsäcke waren ein Traum. Sogar ich fror nicht bei Temperaturen weit unter Null Grad. Nun lagen wir im Zelt und man konnte schlecht einschlafen, weil die Eruptionen immer häufiger kamen und immer lauter wurden. Also beschlossen wir, die Zelttür aufzumachen und dem Vulkan vom Schlafsack aus beim Ausbrechen zuzusehen. Diese lauten Schläge, die sprühende Lava und das Geräusch rollender Lavasteine waren einfach atemberaubend und unglaublich zugleich. Doch irgendwann siegte die Müdigkeit und ich schreckte nur ein paar Mal nachts hoch, als wieder ein besonders lauter Knall zu hören war.

Um 3 Uhr wurden wir also geweckt und es ging los. 45 Minuten Aufstieg – klingt ja eigentlich ziemlich machbar. Doch das Stück war ziemlich fies. Meine Erkältung und meine nicht so richtig funktionierenden Lungen machten mir beim steilen Aufstieg in der Höhe ganz schön zu schaffen. Zudem kommt, dass der Boden aus loser Lava-Erde bestand und man mit jedem Schritt wieder zurückrutschte. Zum Glück hatte ich meinen Wanderstab, der mir gerade bei diesem Aufstieg sehr viel half. Wir liefen immer weiter bergauf, den ausbrechenden Fuego zu unserer linken oder im Rücken. Die Sicht war unendlich weit und glasklar. Wir konnten bis zur Pazifiklinie sehen und die Vulkankette hin zum Atitlansee. Es war einfach unglaublich schön.

Immer wenn ich dachte jetzt kann ich nicht mehr und breche einfach zusammen, hab ich mir selbst gesagt, dass das wohl nicht mein Ernst sein kann und dass dieser Aufstieg ja wohl nicht schlimmer sein kann, als der Kilimandscharo und den hab ich ja schließlich auch geschafft. – Gut, da hab ich mich auch einmal auf einen Stein gelegt und beschlossen zu sterben, aber das vergisst man hinterher dann irgendwie wieder.

Und irgendwann, als ich schon nicht mehr daran geglaubt hatte, erreichte ich schließlich die Kante zum Gipfelplateau. Nun hatten wir eine 360 Grad Sicht. Die aufgehende Sonne mit Vulkanen, Bergen und Tälern in die eine Richtung, der Atitlansee mit weiteren Vulkanen in der anderen und der rauchende Fuego in der Mitte.

Es war bitterkalt und der Wind fegte über uns hinweg. Kraftlos, frierend aber überglücklich genoss ich die Aussicht, einfach nur dasitzend und die Schönheit der Natur genießend. Langsam bahnte sich die Sonne ihren Weg hinter dem Horizont und einem Vulkan hervor und tauchte die Nebelschwaden und das Land in goldenes Licht.

 

 

Der Abstieg

Nach einer Weile traten wir den Rückweg an. – Und hier war alle Anstrengung verflogen, wir rutschten die lose Erde herunter und rannten beinahe zum Zeltplatz zurück, wo unser Frühstück auf uns wartete. Wir tauschten unsere Eindrücke aus, legten uns in die Sonne und dösten ein.

Danach hieß es Abmarsch zurück ins Tal. Das Wetter war uns noch immer wohlgesonnen und wir trabten den Berg herab, wo wir andere Gruppen beim Aufstieg trafen und nun übernahmen wir die Rolle ihnen zu sagen, dass es hart werden würde, es aber eines der beeindruckendsten Ereignisse unseres Lebens war.

Als wir unten ankamen, sahen wir eine Gruppe den Aufstieg antreten, von denen die Mädels mit Jeans-Hotpants bekleidet waren und nur einen Mini-Rucksack dabeihatten und ein Typ erstmal eine Bierdose exte. Unsere Gruppe schaute sich nur gegenseitig an und wir waren einstimmig der Meinung, dass wir wirklich froh sein können, so eine tolle Gruppe gewesen zu sein. Und dass wir viel dafür zahlen würden, diese Gruppe vier Stunden später und 2000 Meter höher sehen zu können.

Im Bus zurück nach Antigua schliefen wir schon reihenweise im Bus ein und zurück im Hostel gab es erstmal eine warme Dusche, neue Klamotten, saubere Kleidung von der Reinigung.

Am Abend verabredeten wir uns noch mit der Acatenango-Warriors-Gruppe auf ein Bier im Café No Sé (einer Bar, die von Anfang an auf meiner Liste stand, in die ich es bislang aber nicht geschafft hatte). Wir ließen die Eindrücke Revue passieren und verabschiedeten uns.

Damit ging mein letzter Abend in Guatemala zu Ende. (Vorerst, denn irgendwann wollte ich ja noch zurückkommen, um Flores und Tikal zu besuchen.)

Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von Chris, mit dem ich im Endeffekt fast ganz Guatemala gemeinsam bereist hatte und fuhr mit dem Shuttle zum Flughafen, auf nach Mexiko City, wo ich Markus wiedertreffen würde.

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