Hallo zusammen,

vorab schon mal Entschuldigung für den langen Eintrag…

Meinen Abschied von Sansibar hab ich gebührend gefeiert. Da die Kanadierinnen am Gleichen Tag ihren Ausstand hatten, waren wir am Ende fast 20 Leute. Wir waren in einem schönen Restaurant und sind anschließend mit einem kleinen Holzboot auf ein Hausboot im Meer rausgeschippert und haben die Nacht durchgetanzt, mitten im Meer mit Blick auf Stonetown am Ufer. Das war wirklich ein super Abschluss!

Heute kommen nun meine ersten Nachrichten aus Arusha, meiner neuen Interims-Wahlheimat. Am Samstag bin ich hier gelandet und das Schicksal war mir positiv gesonnen. Mama Siara (also Martina Siara, aber jeder nennt sie Mama Siara) dachte ich würde am Kilimanjaro Airport ankommen und hat mir einen Hotelshuttlebus empfohlen, der zum Impala Hotel fährt, um mich dort zu treffen.

Nun war es aber so, dass mein Flieger zum Arusha Airport geflogen ist und ich außerdem auf eine andere Maschine umgebucht wurde. Das war zunächst mal super, weil sich so niemand um das Gewicht meines 7kg zu schweren Gepäcks geschert hat 🙂

Nur bin ich dann halt 30 Min später angekommen und einen Shuttle gab’s vom Arusha Airport auch nicht. Aber Glück braucht der Mensch und da scheine ich eine ganze Menge von gepachtet zu haben. Ich hab also 2 Frauen gefragt, ob es einen Shuttle gäbe, was sie zwar verneint haben, aber gemeint haben, dass sie mir einen Lift anbieten können (also jetzt keinen Aufzug 😉 – Ihr wisst was ich meine) und so bin ich dann zum Treffpunkt gekommen und hab mit den beiden Damen sogar noch die Leiterinnen einer Safari-Firma und einer Lodge kennengelernt.

Im Übrigen hab ich später erfahren, dass die anderen Volunteers gerne mal am Samstag in diese Lodge gehen, um ein bisschen am Pool zu liegen. Und da hab ich jetzt schon eine Connection 😉

So, am Treffpunkt angekommen hab ich erstmal weit und breit keine Mama Siara gesehen, aber als ich da so rumgestreunt bin, hat mich eine Frau in meinem Alter angesprochen, Sofia, Mama Siaras Tochter. Also war alles gut.

Wir sind zum Stadtrand zum Faraja Center gefahren, das ziemlich groß ist, wie ich dann festgestellt habe. Es besteht aus 6 großen Unterrichts- und Schlafgebäuden und den Privathäusern von Mama Siara und ihren Kindern. Die Mädels ohne Kinder wohnen zusammen in einem Haus mit einem Schlafraum und die Frauen mit Kindern haben jeweils ein kleines Zimmer mit einem Stockbett für sie und ihr Kind. Das Center hat sogar seine eigenen kleinen Felder, eine handvoll Kühe und Ziegen. Unter hinter „meinem“ Haus (ich wohne Anfangs bei der Familie des Sohns von Mama Siara) gibt’s einen Mangobaum, einen Avocadobaum und ein paar Bananenpalmen. – Ein Traum 🙂

Neben mir sind noch 2 weitere Volunteers hier: 2 Mädels aus Dänemark, Freja und Camilla. Die beiden sind super lieb und aufgeschlossen. Sie sind seit Anfang Januar hier und bleiben noch bis Ende März. Camilla arbeitet im Day Care Center für die ganz Kleinen und Freja unterrichtet Englisch. Bin sehr froh, sie getroffen zu haben. Sie haben mir ein paar Eckdaten über’s Leben im Center gegeben und auch über die Stadt, wo es was gibt, worauf man achten sollte, und und und. Außerdem sind derzeit Frejas Eltern zu Besuch und so war es ganz geschickt, dass ich mich der allgemeinen Stadtführung anschließen konnte.

Auch meinen Geburtstag hab ich mit ihnen gefeiert. Wir sind abends zusammen in der Stadt Essen gewesen (siehe Bild) und da hab ich sogar ein Geburtstagsständchen bekommen. An dieser Stelle herzlichen Dank an Euch alle, dass Ihr an mich gedacht habt, obwohl ich soooo weit weg bin. Es ist wunderschön zu wissen, dass man trotzdem nicht vergessen wird.

Nun ein paar Eckdaten zum Faraja Center als solches: Derzeit sind hier ca. 50 Frauen und ca. 30 Kinder. Mama Siara wohnt mit ihrer Familie ebenso auf dem Centergelände und ein Teil ihrer Kinder arbeiten auch im Center u.a. als Lehrer. Mama Siara hat das Center im Jahr 2006 gegründet und zunächst mit 6 Frauen angefangen. Nun sind es bereits über 50… Und letztes Jahr hat sie sogar das Zertifikat erhalten wonach das Faraja Center nun offiziell als NGO gilt, das bedeutet u.a., dass sie auch in anderen Regionen Tansanias weitere Center eröffnen kann und sie hat es vor. Es ist beeindruckend, mit welcher Überzeugung und Hingabe sie das alles macht, zumal sie auch schon 65 ist. Gestern Abend ist sie müde nach Hause gekommen und hat gesagt, dass sie erschöpft ist und hat dann hinzugefügt, dass sie seinerzeit versprochen hat, hart zu arbeiten und alles zu geben und dass sie das nun auch tut, Tag für Tag. Auch sie ist unheimlich gläubig. Ich meine wer von uns würde sich am Sonntagnachmittag mit einer Bibel aufs Sofa setzen und einfach so darin lesen….??!! Aber aus ihrem Glauben zieht sie ihre Kraft.

So, nun wieder zum Center selbst:

Unterrichtet werden in Faraja Englisch und Mathe für alle Frauen und dann können sich die Frauen eine Spezialisierung aussuchen: entweder Nähen oder Kochen.

Zudem gibt es noch Computerunterricht (also der Umgang mit Computern überhaupt und üben von 10 Fingerschreibweise) und Englisch Konversation.

Ein typischer Tag einer Frau im Center sieht so aus:

  • 08:00h Englisch
  • 09:30h Mathe
  • 11:00h Kochen oder Nähen
  • 14:00h Mittagspause
  • 15:00h Computer / Englisch Konversation (wöchentlich im Wechsel)

Ab 07:30h morgens sind schon alle im Klassenzimmer und singen und beten. Überhaupt ist es so beeindruckend, wie gläubig hier alle sind. Aber bei dem was die Frauen alles erlebt haben, vielleicht die einzige Möglichkeit, überhaupt irgendwie damit zurechtzukommen.

Zweimal die Woche ist Fußball. Da hatte ich an meinem 2. Schultag schon das Vergnügen, im Tor zu stehen. Bilanz: 3 gehaltene Bälle, ein Tor reingelassen 🙁

Neben dem Unterricht für die Frauen gibt es noch das Daycarecenter, in dem die Babys und Kleinkinder bis 3 Jahre der Frauen aus dem Center betreut werden, während die Mütter selbst im Unterricht sind. Außerdem gibt es dann noch die Nursery, also quasi Vorschule, dort sind die Kinder von 4-6 Jahren. Hier sind nicht nur Kinder der Frauen aus dem Center sondern auch Kinder aus dem Stadtteil. Hier zahlen die Familien monatlich 10.000 TSH (also 5 Euro) für die Betreuung des Kindes.

Mein Auftakt hier war also Montag Morgen in der Nursery. Mein Gott bin ich froh, dass ich schon ein bisschen Suaheli kann, sonst wäre ich echt aufgeschmissen. Und so kann ich mit den Kleinen gemeinsam zählen, Ihnen sagen „Schreib jetzt …“, „Erst musst Du das schreiben, dann das“, „Lass mich in Ruhe“ (wenn mal wieder ein Kind – meistens Dennis – auf meinen Rücken klettert, während ich einem anderen versuche 1 + 4 zu erklären), „Du machst jetzt alleine weiter“, „Warte ein bisschen“, „jetzt reicht’s“ …

Meine neuen Vokabeln, die ich dort lerne sind z.B. Plus, Minus und Ist-gleich oder diverse Namen von Körperteilen oder Tieren.

Es werden die Fächer Schreiben, Englisch, Mathe und Biologie „unterrichtet“. Die Lehrerin ist wirklich toll. Sie erklärt dich Dinge so gut. Ich hab mich heute mit ihr unterhalten. Sie war 2 Jahre auf einer Montesori-Schule und hat dort ihre Ausbildung gemacht. Auf jeden Fall ein Meilenweiter Unterschied zu der Schule in Sansibar unmittelbar neben unserem Haus, bei der die Schüler immer nur stupide die Worte des Lehrers wiederholt haben.

In der Nursery sind ca. 35 Kinder. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, wie es da zugeht. Lauter kleine Racker zwischen 4 und 6. Nach meinem ersten Tag war ich klatschnass geschwitzt. Ach ja und mit meinem Namen haben die kleinen so ihre Schwierigkeiten. Also bin ich kurzerhand „Mwalimu Mzungu“ (Weiße Lehrerin) oder einfach nur Mzungu. Wobei ich das langsam am ändern bin. Ist irgendwie schon komisch wenn’s einfach nur Mzungu, Mzungu, Mzungu schreit. Ich sage dann halt „Jina langu ni Steffi, si Mzungu“, was so viel heißt wie „mein Name ist Steffi und nicht Mzungu“. Ein Mädchen hat den zumindest den Versuch gestartet, für sie bin ich jetzt wahrscheinlich auf alle Ewigkeit „Pengi“. Also wenn mich zukünftig jemand so nennen mag, ich hör schon drauf 😉

Gestern hab ich dann zum ersten Mal in den Computerkurs reingeschnuppert und war ganz froh, dass ich damals in der Wirtschaftsschule Dinkelsbühl in 4 harten Jahren die 10-Fingerschreibweise gelernt habe. So konnte ich recht schnell rumgehen und den einzelnen Frauen erklären, wie sie es richtig machen. Es ist voll cool, sie haben hier ein Schreiblernprogramm. Da steht ein kryptischer Text auf dem Bildschirm und zusätzlich ist die Tastatur mit 2 Händen am unteren Bildschirmrand abgebildet, bei der sich dann jeweils der Finger bewegt, der die jeweilige geforderte Taste drücken soll. Sowas gab’s bei uns damals nicht. Da gab’s nur Frau Fischbach und Frau Günther, die den Takt vorgegeben haben 🙂 (@ Moni, Caro und Kerstin: Ihr wisst wovon ich spreche).

 

Heute war nun mein dritter Tag im Faraja Center und ich hatte meine erste eigene Unterrichtsstunde: Englisch Conversation mit den Frauen.

Freja hatte mich noch vorgewarnt, dass die Frauen mit den Babys in den Unterricht kommen, weil sie auch auf die Babys der Frauen, die zur gleichen Zeit Computerunterricht haben aufpassen. Also hatte ich nun eine Klasse mit 15 Frauen und ca. 15 Babys vor mir. Für mich war sehr schwer einzuschätzen, welches Level die Frauen haben. Manche haben im Vorfeld mit mir exzellentes Englisch gesprochen und andere nur ein paar Brocken.

Ich habe also als Konversationsthema vorbereitet zu fragen, was man letzte Woche, heute oder morgen gemacht hat bzw. macht. Und wollte mit der Klasse Aktivitäten sammeln, die wir im Anschluss in der Konversation verwenden. Am Anfang bin ich dann also rumgelaufen und hab einzelne Schülerinnen gefragt, was sie gemacht haben. Hier denke ich habe ich mir etwas Respekt verdient, als ich, wenn mich die Schülerin nach der Frage nur mit großen Augen angeschaut hat, das gleiche auf Suaheli wiederholt habe. Im Anschluss sollten sie sich dann in 3er Gruppen gegenseitig fragen. Das hat nicht wirklich so gut geklappt. Freja hatte mich aber schon gewarnt, dass das mit Gruppenarbeit so ’ne Sache ist und sie, sobald man ihnen den Rücken zukehrt, keine eigenständige Gruppenarbeit mehr machen. Als ich dann rumgelaufen bin, habe ich gemerkt, dass viele die Wörter, die von einzelnen Schülerinnen genannt wurden gar nicht kannten. z.B. to celebrate oder birthday, oder clean…

Also werde ich morgen erstmal Begriffe sammeln und die Schülerinnen, die sie genannt haben bitten, sie auf Swahili an die Tafel zu schreiben.

 

Nach der Stunde sind heute dann 3 Schülerinnen dageblieben und wollten, dass ich noch ein bisschen mit ihnen auf Englisch spreche und sie Sätze an die Tafel schreiben und ich sie korrigiere. So sind wir dann noch 3 Stunden weiterhin dort gewesen.

Schön fand ich auch, dass mich ein paar Schülerinnen gefragt haben, ob ich mit Ihnen in die Kirche kommen mag. Hätte ich auch gemacht, schon allein der Integration halber, ist dann aber aufgrund des erweiterten Unterrichts ausgefallen. Ich denke der Schlüssel zu den Mädels ist zum Einen ihr Glaube und zum anderen ihre Lieder. Sie singen total gern – meistens christliche Lieder, was ich bisher so rausgehört habe (Stichwort: Mungu (=Gott) und Bwana (=Herr) ). Ich denke ich lasse mir in den nächsten Tagen mal den Text erklären, dann kann ich zukünftig mit einstimmen. Das gibt bestimmt Integrationspluspunkte.

Heute war z.B. am Nachmittag noch ein Pfarrer da und Ihr hättet erleben sollen, mit welcher Inbrunst da gepredigt und gebetet wird. Ich hatte den Eindruck, dass die Gebete, die die Mädels selbst für sich sprechen so eine Art Selbst-Motivation sind. Mit geballter Faust wird dann was mit so viel Kraft gemurmelt, dass sich dies genausogut auch auf einem Motivationsseminar abspielen könnte (@Sven, Sabine, Frank, Silke, Dieter, Regina: Ihr wisst wovon ich spreche. Stichwort: Höller).

Insgesamt hab ich den Eindruck, dass die Mädels sehr lernwillig sind und den Aufenthalt im Faraja Center wirklich als IHRE Chance sehen und diese auch ergreifen wollen.

Bin gespannt, wie meine weitere Zeit hier abläuft. Ich denke ich bin auf einem guten Weg, mich hier zu integrieren und dass mich die Mädels heute Abend schon eingeladen haben, mit Ihnen zu Abend zu essen, war ein ganz positives Zeichen dafür. Ich musste allerdings ablehnen, da ich immer im Haus von Mama Siara esse.

Meine Arbeitserlaubnis bekomme ich vermutlich morgen, so dass ich dann auch ganz offiziell hier arbeiten kann.

Neben dem normalen Unterricht und den zusätzlichen Englisch-Stunden im Anschluss hab ich hier schon meine 2 Herzensprojekte gefunden:

Zum einen Englisch mit einem Maasai-Mädchen zu üben, das Mama Siara quasi adoptiert hat, da sie in ihrem jungen Alter schon ein ganz schreckliches Schicksal hinter sich hatte, als sie mit 11 Jahren ins Center kam und außer dem Center auch keinen Ort hat, an den sie gehen könnte. Sie ist super schüchtern, aber seit Sonntag sind wir quasi Freunde, als wir den ganzen Nachmittag Englisch- und Suaheli-lernend zusammen auf dem Sofa verbracht haben.

Zum anderen möchte ich einem Mädchen lesen und schreiben beibringen. Sie ist mit ihren ca. 10 Jahren um einiges älter als die anderen Kinder in der Vorschule und ist erst seit 2 Wochen im Center. Sie hatte niemals Zugang zu Bildung und schämt sich im Unterricht, weil die Kleinen schon so viel mehr können als sie.

Ja und so wird’s mir bestimmt nicht langweilig.

Außerdem ist Mama Siara auf der Suche nach Austausch-Instituten. Falls also irgendjemand eine Idee hat, mit welcher Einrichtung man eine Partnerschaft zum gegenseitigen Austausch und der gegenseitigen Bereicherung aufbauen kann. Immer her damit.

So, jetzt hör ich auf zu schreiben.

Nochmals sorry für den langen Text.

Steffi

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