Hello my dears,
am Montag stand uns ein großer Tag ins Haus. Anlässlich des Weltfrauentages am Samstag waren wir zu einer Veranstaltung ins Kongresszentrum eingeladen, mit dem Thema Gewalt und insbesondere sexuelle Gewalt gegen Frauen.
Mit dem Bus ging’s in die Stadt zum Kongresszentrum. Die Veranstaltung fand im 7. Stock statt und wir mussten mit dem Aufzug hoch. Erst da wurde mir bewusst, dass fast alle Mädels noch nie Aufzug gefahren sind. Sie waren erst etwas nervös und skeptisch und wussten nicht so recht, wie das jetzt abläuft aber als wir oben waren, waren sie begeistert und haben gelacht. Im Anschluss wurde ich gefragt, wie oft ich schon Aufzug gefahren sei… Ich hab dann erklärt, dass wir in Deutschland in den hohen Häusern recht häufig Aufzüge haben und ich nicht mitgezählt hab… 😉
Die Veranstaltung bestand aus einem Konferenzsaal und einer Ausstellungsfläche. Auf letzterer haben wir neben ein paar anderen Organisationen unsere Handcraft-items ausgestellt.
Die meisten von Euch kennen wohl meine Meinung zu übertriebener Emanzipation und wissen, was ich von Frauenquoten und ähnlichem halte. Allerdings muss man sagen, dass die Uhren hier in Tansania noch ganz anders ticken und die Rolle der Frau hier so dermaßen schwach ist, dass wirklich einiges an Nachholbedarf besteht.
Das Event war hochgradig interessant. Es gab zunächst mehrere Redner und im Anschluss eine Podiumsdiskussion. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch eine exzellente Rede von Richter M. Vagn Joensen, dem Präsidenten des International Criminal Tribunal for Rwanda, der auf die Kriegsverbrechen speziell gegen Frauen im Zuge des Völkermordes in Ruanda eingegangen ist. Bei den Verhandlungen der Völkermordsverbrechen in Ruanda wurden erstmals Vergewaltigung und sexuelle Gewalt nicht nur als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern unter bestimmten Bedingungen auch als Völkermordhandlungen definiert, da während des Genozids Vergewaltigungen systematisch gegen Tutsi-Frauen als Vorbereitung zur Tötung oder zur Herbeiführung schwerer körperlicher und seelischer Schäden, gerichtet gewesen seien.
Eine weitere Ansprache umfasste ein paar erschreckende Statistiken u.a. mit der Aussage, dass jede 3. Frau weltweit im Laufe ihres Lebens entweder mishandelt oder vergewaltigt wird…
Ein besonders bewegender Beitrag war von einem Mädchen, das ich höchstens auf 15-16 Jahre schätze. Sie hat einen Kurzfilm über ihr Leben vorgestellt: Nachdem sie ihre Eltern verloren hatte, wurde sie obdachlos und hat auf Arushas Straßen gelebt und sich von Essensresten ernährt. Eines Nachts wurde sie von einer Gruppe junger Männer vergewaltigt. – Im Nachgang zu dieser Aussage schob sie dann hinterher, dass dies das erste Mal gewesen sei, dass sie vergewaltigt wurde, aber nicht das einzige Mal bleiben sollte. Irgendwann ist sie dann in die Prostitution reingerutscht. Begleitet hat sie die Aussage, dass man auf diese Weise wenigstens ein Bett zum Schlafen hatte für die jeweilige Nacht. Insgesamt hatte sie 4 Abtreibungen hinter sich, bis sie durch einen Sozialarbeiter in ein Mädchenheim gegangen ist, das sich auf die Rettung obdachloser Mädchen spezialisiert hat. Dort hat sie durch Spenden die Möglichkeit erhalten, ihre Schullaufbahn fortzusetzen und letztendlich auch auf eine weiterführende Schule zu gehen. Sie spricht hervorragendes Englisch, hat exzellente Noten und will nach Abschluss der Schule studieren und unbedingt Rechtsanwältin werden. Sie selbst engagiert sich bereits jetzt für andere Mädchen in vergleichbaren Situationen und arbeitet mit den Sozialarbeitern zusammen, um weitere Mädchen aus dem Teufelskreis rauszuholen.
Bei der Podiumsdiskussion war die Gründerin einer Krankenhausabteilung für Vergewaltigungsopfer, die Leiterin der sog. Gender-Unit der Polizei, der Gründer des o.g. Mädchenheimes, eine Rechtsanwältin sowie ein Radio-Moderator, der ein Programm zum Thema Gewalt gegen Frauen leitet, dabei. In der Diskussion wurden Missstände diskutiert, wie z.B. das Problem der gesetzlich erlaubten frühen Heirat mit 15 Jahren und dass Familien teilweise Ihre Töchter bereits mit 8 Jahren verheiraten und dies als zusätzliche Einnahmequelle verwenden, oder dass Vergewaltigungen von der Polizei teilweise erst aufgenommen werden, wenn man den zuständigen Beamten besticht, wobei sich aktuell eine gesonderte Abteilung im Aufbau befindet, die sogar von einer Frau geleitet wird und die scheinbar sehr sorgsam mit den Opfern umgehen. Die o.g. Abteilungsleiterin arbeitet auch mit dem Faraja center zusammen und hat schon mehrere Mädchen in Not ins Center gebracht (unter anderem meine kleine Maasai Freundin)
Im Anschluss an die Konferenz verlagerten sich die Teilnehmer in den Ausstellungsbereich. Dort konnte ich dann auch ein paar andere Organisationen kennenlernen und mich mit ihnen austauschen. Diese sind beispielsweise spezialisiert auf die rechtliche und wirtschaftliche Unterstützung von Witwen (die in Tansania so gut wie rechtlos sind und oftmals komplett verarmen, da sie nicht als rechtmäßige Erben angesehen werden und sich die Verwandschaft des verstorbenen Mannes sämtlichen Besitz unter den Nagel reißt) oder Organisationen für Frauen mit HIV (die durch den Fair-Trade-Vertrieb von selbstgemachten Taschen die wirtschaftliche Situation der Frauen verbessern und ihnen so den Zugang zu wichtigen Medikamenten ermöglichen) oder eben die Schutzorganisation für junge Mädchen, die in die Obdachlosigkeit geraten sind.
Der Austausch war super interessant und mir sind an dem Tag ganz viele Ideen gekommen…
Und als am Dienstag mein Englischunterricht ausgefallen ist und ich mir kurzzeitig etwas nutzlos vorkam, hab ich beschlossen nach alter Manier ein Excel herzunehmen und ein paar Ideen zu sammeln. So kam am Ende eine ganz stattliche Liste mit Anregungen heraus, die sich im Wesentlichen auf folgende Punkte bezieht:
- Verbesserung der Kommunikation und der Lehre im Faraja Center
- Erhöhung der Sichtbarkeit des Centers nach außen (für die Öffentlichkeit allgemein, für potenzielle Freiwillige sowie für potenzielle Geldgeber)
- Integration neuer Volunteers
- Fundraising / Beschaffung von Geldmitteln durch Spenden
- Verbesserung der Einkommen des Centers (bspweise kann das Faraja Center Catering Service anbieten oder durch Verkauf der Handcraft-items, die echt schön sind)
Ich hab mich sehr über die Reaktion von Mama Siara sowie der Sozalarbeiterin Harriette sehr gefreut, die angetan waren von der Liste, die einzelnen Punkte mit mir besprochen und priorisiert haben und diese nun gemeinsam mit mir angehen wollen. Es ist toll, dass sie mich auch über’s Unterrichten hinaus mitwirken lassen. Das Schöne ist, dass sie eine Vision vor Augen haben und es hier keinen Stillstand gibt, sondern dass sie daran arbeiten, das Center besser, professioneller und auch größer zu machen.
Ja und so hab ich hier jetzt wieder einen Vollzeit-Job. Der in einzelnen Punkten meiner Tätigkeit in Deutschland gar nicht so unähnlich ist… Darunter befinden sich z.B. Optimierung der Homepage (an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Christina für die tatkräftige SEO Unterstützung), Auswahl geeigneten Bildmaterials, Entwerfen von Flyern, viel Recherchearbeit und Kontaktaufnahme mit potentiellen Spendern.
Morgens geht’s also um 8h in die Nursery, Kleinkinder unterrichten.
Über Mittag arbeite ich an den o.g. Weiterentwicklungspunkten, am Nachmittag geht’s weiter mit Englischunterricht und danach bin ich zweimal die Woche Fußballtrainer oder gebe noch etwas Englischprivatunterricht für meine kleine Maasaifreundin.
Was mich hierbei am meisten freut ist, dass durch die Kleinprojekte, die wir nun angehen werden Nachhaltigkeit in meine Arbeit im Faraja Center reinkommt und meine Unterstützung nicht einfach verpufft, wenn ich im August wieder gehe. 🙂
So, das war’s von meinem Beitrag anlässlich des Weltfrauentages und auch zu meiner Arbeit im Center.
Viele Grüße in die Heimat
PS: vermutlich ist bei Euch in den nächsten Wochen das Wetter besser als hier, da es nämlich langsam mit der Regenzeit losgeht…