Nachts in Bogota angekommen, bezogen wir ein AirBnB im historischen Zentrum la Candelaria, weil wir halt wieder mal recht spät dran waren und die Hostels, die uns empfohlen wurden schon ausgebucht waren. Aber die Wohnung war super und auch echt gelegen. Seit Wochen wollten wir schon unseren Kolumbienaufenthalt planen, aber so richtig kamen wir halt nicht dazu. Also saßen wir in Bogota und hatten keine Ahnung, was wir jetzt eigentlich alles machen sollten.

Ich bin am nächsten Morgen früh aufgewacht und hab eine Marathonplanung gemacht. Meine Cousine Regina hatte mir vom Fernwehfestival ganz viel Infos zu Kolumbien gegeben, dann hab ich mich noch durch Blogs gelesen und in Tripline eine Karte mit allen interessanten Punkten angelegt. Zwei Stunden später war Markus dann auch wach und wir sind alle Punkte durchgegangen und haben priorisiert und einen Zeitplan drangehängt. Ein paar Punkte, die wir aus Zeitgründen streichen mussten, hab ich mir für die Zeit, in der ich wieder alleine weiterreisen würde noch aufgehoben. Also stand unser Kolumbien Masterplan!

Dann ging’s raus in die Stadt und gleich nach ein paar Minuten wurde klar, dass Bogotá ganz anders ist als Quito. Selbst im historischen Zentrum wirkt sie gleich viel moderner, aufgeschlossener und weniger traditionell. Ich hab mich gleich spontan verliebt in die Atmosphäre, die die Stadt ausstrahlt. An jeder Ecke gibt es ein Kulturzentrum, eine Theaterinitiative oder Boutiquen junger Designer. Die Stadt ist voller Leben.

Bogota Bike Tour

Für den ersten Tag in Bogota haben wir uns am Nachmittag eine Fahrradtour vorgenommen, die mir in Quito von einem Pärchen empfohlen wurde. Das coole war, dass man mit Fahrrädern halt einfach viel mehr sehen kann, als bei einer Walking Tour. – Naja rein theoretisch. Wir hatten das „Glück“ mit einer Familie in der Gruppe zu sein, bei dem das Mädchen den Anschein machte, noch nie auf einem Fahrrad gesessen zu sein. Am Anfang hatte sie den Lenker um 180° verdreht und hat sich gewundert, warum sie nicht losfahren kann… Das konnte noch heiter werden, denn der Verkehr in Bogota ist jetzt auch nicht gerade so wie in einer verkehrsberuhigten Zone… Aber die Tour war trotzdem super.

Eine unserer Stationen war der Plaza Simon Bolivar – wie auch in Ecuador hat quasi jede kolumbianische Stadt einen Platz zum Gedenken an den Unabhänigkeitshelden. Einige wichtige Gebäude umgeben den Platz, zum einen die Kathedrale, zum anderen aber auch der Justizpalast. Und dieser hat eine ganz besondere Geschichte: 1985 erstürmten 35 Guerilleros der Guerillagruppe M19 den Justizpalast. Sie nahmen 300 Personen als Geiseln, darunter 24 Verfassungsrichter. Die Attentäter forderten den kolumbianischen Präsidenten Belisario Betancur auf, sich im Gebäude einem Gerichtsverfahren zu stellen, was dieser aber verweigerte. Die Angreifer verbrannten im vierten Stock eine Menge Akten, darunter sämtliche Akten bzgl. der Auslieferung von Drogenbaronen an die USA. Daher gibt es Spekulationen, dass die Besetzung nicht politisch motiviert war, sondern als eine Aktion im Auftrag von Pablo Escobar, um die Verfassungsrichter zu beseitigen und somit eine Auslieferung in ein Gefängnis in den USA zu verhindern.

Auch in den nächsten Wochen sollten wir immer wieder Geschichten rund um Pablo Escobar begegnen. Während der Fahrradtour kamen wir z. B. auch am Plaza del Periodista vorbei. Hier wurde am 17. Dezember 1986 der damalige Direktor von El Espectador, Guillermo Cano Isaza, vor dem Zeitungsgebäude von bezahlten Auftragsmördern erschossen. Kurz zuvor hatte die Zeitung eine Reihe von kritischen Artikeln über die kolumbianischen Drogenbarone veröffentlicht.

 

Volksaufstand „El Bogotazo“ und Bürgerkrieg „La Violencia“

Eine weitere sehr interessante Geschichte war die vom Bogotazo Volksaufstand 1948. Der liberale Präsidentschaftskandidat und Reformer Jorge Eliécer Gaitán, der sehr wahrscheinlich die Wahlen gewinnen sollte, wurde inmitten von Bogota beim Verlassen eines Gebäudes erschossen. Dies führte zu einem Volksaufstand in Bogota bei dem an einem Tag mehrere Tausend Menschen starben. Die Massengräber befinden sich in dem heutigen Parque El Nacimiento. Der Aufstand führte zu einem grausamen 10 Jahre andauernden Bürgerkrieg zwischen Anhängern der liberalen und der konservativen Partei, der bis 1958 anhielt und ca. 200.000 Menschenleben kostete. Der Bürgerkrieg wurde auf bestialische Weise geführt. Bestimmte Folter- und Tötungsmethoden wurden so oft angewandt, dass sie eigene Namen bekamen. An dieser Stelle will ich nicht näher in Details einsteigen, wer es nachlesen möchte, kann das hier tun: https://en.wikipedia.org/wiki/La_Violencia

Aus einer der Gruppierungen ging schließlich auch die FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee) hervor.

 

Die El Dorado Sage

Doch natürlich hat Kolumbien neben der jüngeren Geschichte eine Kolonialgeschichte durch die Eroberung der Spanier im 16. Jahrhundert. Unser Guide erklärte uns in diesem Zuge z. B. den Ursprung der El Dorado Sage. Die dreht sich nämlich um den Guatavita See, in der Nähe von Bogota. Es ist jedoch nicht klar, wie viel von dieser Sage wirklich wahr und was erfunden ist.

Hier die Sage:  Jeder neue Herrscher der Muisca brachte bei seinem Amtsantritt ein Opfer für den Sonnengott im Bergsee von Guatavita dar. Nachts wurden Freudenfeuer entzündet, und der nackte Körper des Fürsten wurde mit einer Paste aus Goldstaub überzogen. Zusammen mit vier Adligen fuhr der Fürst auf einem Floß zur Mitte des Sees. Das Floß war mit vielen verschiedenen Goldgegenständen und Edelsteinen beladen. Die Gefährten opferten diese Gegenstände, indem sie diese ins Wasser warfen. Danach sprang der König in den See, und der Goldstaub auf seinem Körper sank, zusammen mit Smaragden und Gold, welches die mitgefahrenen Adligen als Opfer in den See warfen, auf den Grund. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Eldorado)

Die Spanier fanden das natürlich sehr spannend, so haben sie tatsächlich auch Versuche gestartet, den See trockenzulegen. 1545 wurde in der Trockenzeit z.B. 3 Monate lang versucht, den See mit Kürbisschalen auszuschöpfen, tatsächlich senkten sie damit den Wasserspiegel um 3 Meter und fanden Goldgegenstände und Münzen. In den nächsten 300 Jahren folgten noch einige weitere Versuche, die jedoch nicht sehr von Erfolg gekrönt waren, bis die kolumbianische Regierung 1965 beschloss, den Bergsee zu einem nationalen Erbe zu ernennen und damit alle weiteren Versuche unterband. (Die detaillierten Geschichten könnt Ihr hier nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Laguna_de_Guatavita)

Viele Goldschätze kann man im Museo del Oro, also im Goldmuseum begutachten. Überhaupt hat Bogota sage und schreibe 60 Museen von denen nur zwei Eintritt kosten.

 

Nationalsport Techo, Fruit Market und Kaffeerösterei

Bei unserer Tour wurden wir außerdem in ein ziemlich episches Spiel eingeweiht: Techo. Hier gibt es eine große Zielscheibe, die mit Lehm bestückt ist. In diese Scheibe macht man mit kleinen Plättchen einen Kreis. Jeder Spieler bekommt einen Wurfstein aus Metall und muss versuchen in den Kreis zu treffen. Wenn man eines der Plättchen trifft, gibt’s einen Funkenschlag und sie knallen laut. Außerdem muss man dabei ständig Bier trinken. Also eigentlich der perfekte Sport für einen gemütlichen Samstag Nachmittag.

Danach ging’s noch zum Fruit Market und wir kamen in den Genuss der wildesten Früchte, die wir in Deutschland vermutlich nie zu sehen bekommen. Aber lecker sind sie allesamt! – Meine persönliche Lieblingsfrucht ist die Granadilla, die innen aussieht wie Maracuja aber super süß ist.

Zum Abschluss besuchten wir noch eine Kaffeerösterei, bei der wir u.a. lernten, dass ein Sack Kaffeebohnen vor dem Schälen 70kg und nach dem Schälen 55kg wiegt.

 

Reflektion am Ende des ersten Tages in Kolumbien

Hier an unserem ersten Tag in Bogota bekamen wir also bereits einen kleinen Einblick in die Gegensätze zwischen Kolumbien heute einerseits, und der Geschichte des Landes andererseits. Zumal diese die Kolonialgeschichte inkl. Eroberung durch die Spanier beinhaltet, gleichzeitig aber auch die jüngere Geschichte des 20. Jahrhunderts mit den Aktoren: Guerillas, paramilitärische Einheiten, dem Militär und den Drogenbaronen. – Es hat tatsächlich bis zum letzten Tag meines Kolumbienaufenthaltes gedauert, bis ich das komplexe Zusammenspiel einigermaßen durchschaut habe.

 

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